Ich steh an deiner Krippen hier

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1. Ich steh an deiner Krippen hier,
o Jesulein, mein Leben,
ich stehe, bring und schenke dir,
was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Herz, Seel und Muth, nimm Alles hin,
und laß dirs wohlgefallen.

2. Du hast mit deiner Lieb erfüllt
mein' Adern und Geblüte,
dein schöner Glanz, dein süßes Bild
liegt mir stets im Gemüthe,
und wie mag es auch anders sein,
wie könnt ich dich, mein Herzelein,
aus meinem Herzen laßen?

3. Da ich noch nicht geboren war,
da bist du mir geboren,
und hast mich dir zu eigen gar,
eh ich dich kannt, erkoren.
Eh ich durch deine Hand gemacht,
da hat dein Herze schon bedacht,
wie du mein wolltest werden.

4. Ich lag in tiefer Todesnacht,
du wurdest meine Sonne,
die Sonne, die mir zugebracht
Licht, Leben, Freud und Wonne.
O Sonne, die das werthe Licht
des Glaubens in mir zugericht't,
wie schön sind deine Strahlen.

5. Ich sehe dich mit Freuden an,
und kann mich nicht satt sehen,
und weil ich nun nicht weiter kann,
so thu ich, was geschehen.
O daß mein Sinn ein Abgrund wär
und meine Seel ein weites Meer,
daß ich dich möchte faßen.

6. Vergönne mir, o Jesulein,
daß ich dein Mündlein küsse,
das Mündlein, das den süßten Wein,
auch Milch und Honigflüße
weit übertrifft in seiner Kraft,
es ist voll Labsal, Stärk und Saft,
der Mark und Bein erquicket.

7. Wenn oft mein Herz im Leibe weint
und keinen Trost kann finden,
da ruft mir's zu: Ich bin dein Freund,
ein Tilger deiner Sünden.
Was trauerst du, mein Fleisch und Bein?
du sollst ja guter Dinge sein,
ich zahle deine Schulden.

8. Wer ist der Meister, der allhier
nach Würdigkeit ausstreichet
die Händlein, so das Kindlein mir
anlachende zureichet!
Der Schnee ist hell, die Milch ist weiß,
verlieren doch beid' ihren Preis,
wenn diese Händlein blicken.

9. Wo nehm ich Weisheit und Verstand,
mit Lobe zu erhöhen
die Äuglein, die so unverwandt
nach mir gerichtet stehen?
Der volle Mond ist schön und klar,
schön ist der güldnen Sternen Schaar,
dies' Äuglein sind viel schöner.

10. O daß doch ein so lieber Stern
soll in der Krippen liegen!
Für edle Kinder großer Herrn
gehören güldne Wiegen:
Ach! Heu und Stroh ist viel zu schlecht;
Sammt, Seiden, Purpur wären recht,
dich, Kindlein, drauf zu legen.

11. Nehmt weg das Stroh, nehmt weg das Heu,
ich will mir Blumen holen,
daß meines Heilands Lager sei
auf Rosen und Violen,
mit Tulpen, Nelken, Rosmarin
aus frischen Gärten will ich ihn
von oben her bestreuen.

12. Zur Seiten will ich hier und dar
viel weiße Lilien stecken,
die sollen seiner Äuglein Paar
im Schlafe sanft bedecken.
Doch liebt vielleicht das dürre Gras
dir, Kindlein, mehr, als alles das,
was ich hier nenn und denke.

13. Du fragest nicht nach Lust der Welt
noch nach des Leibes Freuden:
Du hast dich bei uns eingestellt,
an unsrer Statt zu leiden,
suchst meiner Seelen Trost und Freud
durch allerhand Beschwerlichkeit,
das will ich dir nicht wehren.

14. Eins aber, hoff ich, wirst du mir,
mein Heiland, nicht versagen,
daß ich dich möge für und für
in, bei und an mir tragen.
So laß mich doch dein Kripplein sein,
komm, komm und lege bei mir ein
dich und all deine Freuden.

15. Zwar sollt ich denken, wie gering
ich dich bewirten werde:
Du bist der Schöpfer aller Ding,
ich bin nur Staub und Erde.
Doch bist du ein so lieber Gast,
daß du noch nie verschmähet hast
den, der dich gerne siehet.

1. Ich steh an deiner Krippen hier,
o Jesulein mein Leben!
Ich komme, bring und schenke dir,
was du mir hast gegeben.
Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn,
Herz, Seel und Muth: Nimm alles hin,
und laß dirs nur seyn eben.

2. Du hast mit deiner Lieb erfüllt
mein Adern und Geblüte;
dein blutger Glanz, dein Creuzes-Bild
liegt mir tieff im Gemüthe;
wie könnt es auch wohl anders seyn,
wenn ich nicht erst mein Herzelein
aus meinem Leibe schnitte?

3. Da ich noch nicht geboren war,
da bist du mir geboren,
und hast mich dir zu eigen gar,
eh ich dich kannt, erkoren;
eh ich durch deine Hand gemacht,
da hast du bey dir selbst bedacht,           
daß ich nicht ging verloren.

4. Ich kann dich, allerliebster Mann,
nicht aus den Augen lassen:
und weil ich noch nichts bessers kann,
soll dich mein Geist umfassen;
und wenn mein Sinn ein Abgrund wär,
und meine Seel ein tieffes Meer,
dein Blut sollts all's durchnassen.

5. Du fragest nicht nach Lust der Welt,
noch nach des Leibes Freuden;
du hast dich bey uns eingestellt,
an unsrer statt zu leiden;
verschaffest durch dein Herzeleid
mein'r armen Seel die Seligkeit,
in Creuz-Freuden zu weiden.

6. Und also, denk ich, wirst du mir,
mein Heiland! nicht versagen,
daß ich dich möge für und für
in meinem Herzen tragen;
so laß mich doch dein Kripplein seyn;
komm, kehre sicher bey mir ein,
Ruh aus von deinen Plagen.

7. Ich bin zwar freylich zu gering,
daß ich dich pflegen solle;
du bist der Schöpfer aller Ding,
ich eine Erden-Scholle:
doch bist du so ein frommer Gast,
daß du noch nichts verschmähet hast,
es sey so schlecht es wolle.

1. Beside Thy cradle here I stand,
O Thou that ever livest!
And bring Thee with a willing hand
the very gifts Thou givest.
Accept me, 'tis my mind and heart,
my soul, my strength, my ev'ry part
that Thou from me requirest.


Ursprüngliche Singweise: Martin Luther, "Es ist gewisslich an der Zeit", 1529
Dichter:
Paul Gerhardt, "Ich steh an deiner Krippen hier", 1653
Spätere Textbearbeitung: Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, 1735
Heutige Singweise: Johann Sebastian Bach, 1736
Englische Übersetzung: John Troutbeck,
"Beside Thy Cradle Here I Stand" (1832-1899)

Liederlexikon

Liederschatz
Zusammengestellt von
Ronny Herbst